Additiv gefertigt und nachhaltig: Dämpfersysteme in Leichtbauweise (Gastbeitrag)

Gastartikel Fraunhofer IPA

Konventionelle Dämpfungssysteme wie Schwingungstilger sind aufgrund ihrer hohen Masse im Leichtbau nicht zielführend einsetzbar, da diese die Gewichte der Leichtbaukonstruktionen erheblich erhöhen würden. Aus diesem Grund ist die Entwicklung von massereduzierten und möglichst leichten Dämpfern für Anwendungen im Leichtbau unabdingbar. Der Einsatz additiver Fertigungstechnologien eröffnet neue Wege zur Realisierung derartiger Dämpfungssysteme.


Dieses Beispiel verdeutlicht, dass additive Fertigungsverfahren im Sinne der Materialnutzung als ressourcensparend angesehen werden können. Für eine energetische Betrachtung müssen jedoch Faktoren wie die benötigten Stückzahlen betrachtet und mit alternativen Fertigungsverfahren vergleichen werden.

Leichtbau im Maschinen- und Anlagenbau

Maschinen- und Anlagenbauer*innen sehen sich im Kontext hochautomatisierter Serienfertigungen zunehmend mit einem Trend hin zu geringeren Taktzeiten, höherer Variantenvielfalt sowie abnehmenden Losgrößen konfrontiert. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, gilt es, hochproduktive und flexible Maschinen- und Anlagenkonzepte zu entwickeln, und diese der Kundschaft gleichzeitig zu einem minimalen Preis anzubieten.

Meist gehen diese Zielstellungen mit der Notwendigkeit einer hochdynamischen Arbeitsgeschwindigkeit der Maschinen einher. Diese hängt wiederum signifikant mit dem Gewicht bewegter Maschinenteile zusammen. Eine Gewichtsreduktion bewegter Bauteile führt zu einer günstigeren Maschinendynamik und erlaubt eine Steigerung der Produktivität. Zugleich reduziert sich der Verbrauch an Ressourcen in der Herstellung und der Energiebedarf im Maschinenbetrieb verringert sich. Der Einsatz moderner Leichtbauwerkstoffe und -prinzipien leistet dabei einen entscheidenden Beitrag hinsichtlich technologischer Mehrwerte und minimiert gleichzeitig die Kosten.

Maschinenstrukturen in Leichtbauweise sind aufgrund ihrer geringen Systemdämpfung jedoch oftmals deutlich schwingungsanfälliger im Vergleich zur konventionellen massiven Bauweise. Das Beispiel eines Leichtbauroboters (Abbildung 1) veranschaulicht diesen Mechanismus. Leichte und steife Leichtbaustrukturen sowie definierte Durchbrüche an den für die Steifigkeit nicht relevanten Zonen erzielen deutliche Vorteile hinsichtlich der Positioniergeschwindigkeit und der Arbeitsgenauigkeit. Das Problem: Das durch den Materialverzicht nun geringere Dämpfungsvermögen kann sich negativ auf das Schwingungsverhalten des Roboters im Betrieb auswirken.

Leichtbauroboter
Abbildung 1: Leichtbauroboter; © ABB Group.

Mit Hilfe additiver Fertigungsverfahren leichte Dämpferstrukturen realisieren

Eine wesentliche Herausforderung bei der Umsetzung von Leichtbaustrukturen im Maschinen- und Anlagenbau stellt daher das Sicherstellen einer ausreichenden Dämpfung zur Schwingungsreduktion dar. Der Einsatz konventioneller Maßnahmen zur Bedämpfung dieser Schwingungen, beispielsweise mithilfe eines Schwingungstilgers, ist in Leichtbaustrukturen allerdings wenig zielführend. Denn dabei müsste eine zusätzliche Tilgermasse in das System eingebracht werden, die das Gewicht der Leichtbaukonstruktion wiederum erheblich erhöhen und somit dem Leichtbauansatz zuwiderlaufen würde.

Dieser Zielkonflikt verdeutlicht, dass sich Erfahrungen auf dem Gebiet der konventionellen Dämpfungssysteme nicht ohne weiteres auf Leichtbaukonstruktionen übertragen lassen. Das Forschungsprojekt „Leichtes Dämpfersystem zur Anwendung in Leichtbaustrukturen – LeDaLe“ nimmt sich dieser Herausforderung an. Das Ziel ist es, gewichtsreduzierte Dämpfersysteme zur Integration in Leichtbaukonstruktionen zu entwickeln.

Das Forschungsprojekt LeDaLe

Eine Kombination verschiedener Leichtbauprinzipien und -fertigungstechnologien bietet sich an, um massearme Dämpfersysteme umzusetzen:

  • Formleichtbau:  Dieser strebt eine Gewichtsminimierung durch Gestalt- und Topologieoptimierung an – bei gleichbleibender Steifigkeit der Dämpferstrukturen, aber geringerem Stoffeinsatz.
  • Werkstoffleichtbau: Dieser ermöglicht es, durch den Einsatz von Leichtbauwerkstoffen wie Hochleistungskunststoffen Gewicht zu reduzieren.
  • Fertigungsleichtbau: Hier verwirklichen Herstellungs- und Fertigungsprozesse Gewichtseinsparpotenziale. In diesem Zusammenhang sind insbesondere additive Fertigungsverfahren zu nennen.

Additive Fertigungsverfahren erlauben es somit, dämpfende Elemente in Maschinen und Anlagen zu integrieren und dabei im Vergleich zu bisherigen Dämpfungssystemen die Leichtbaueigenschaften zu erhalten. Es kann gelingen, hochkomplexe dämpfende Strukturen herzustellen, welche mithilfe konventioneller Verfahren nicht oder nur mit hohem Aufwand umsetzbar wären (Abbildung 2). Auf diese Weise lassen sich dämpfende Elemente auf kleinem Raum mit geringer Masse sowie aus unterschiedlichen Werkstoffen in Leichtbaustrukturen integrieren. Der zunehmende Reifegrad additiver Verfahren und die stetige Verbreitung im industriellen Einsatz bieten hierfür eine hervorragende Grundlage. Die breiter werdende Materialpalette der additiven Verfahren erlaubt die Verwendung von Hochleistungskunststoffen ebenso wie den Einsatz von Metallen.

Additiv gefertigte Dämpferstrukturen
Abbildung 2: Additiv gefertigte Dämpferstrukturen; © Fraunhofer IPA

Additive Fertigung ein Begriff, viele Realisierungen

Der Projektansatz zeigt, dass additive Fertigungsverfahren erhebliche Mehrwerte schaffen können, wenn Anwender*innen die Vorteile dieser Verfahren konsequent nutzen. Hierzu stehen im Bereich der Verfahren zur additiven Herstellung von Bauteilen aus Kunststoffen aktuell rund sieben verschiedene Verfahrensklassen sowie 16 Verfahrensarten zur Verfügung, die mit flüssigen, fotoreaktiven oder festen, schmelzbaren Ausgangsmaterialien arbeiten. Außerdem bieten derzeit circa 250 Hersteller entsprechende Geräte und Fertigungslösungen an.

Die Forschenden des Projektes LeDaLe betrachten Bauteile, die insbesondere mithilfe des pulverbettbasierten Lasersinterverfahrens (Lasersintering – LS) und des filamentbasierten Extrusionsverfahrens (Fused Layer Modelling – FLM) hergestellt werden. LS-Verfahren bieten die Möglichkeit, komplexe und hoch aufgelöste Bauteile aus technischen Thermoplasten herzustellen. Typischerweise wird Polyamid 12 eingesetzt. Die Bauteile besitzen in der Regel eine Schichtdicke von 0,1 mm. Im Vergleich hierzu erlauben die FLM-Verfahren die Verwendung einer großen Bandbreite von Materialien und die Herstellung von Multi-Material Bauteilen. Relevante Materialien sind beispielsweise Polycarbonat (PC), Acryl-Butadien-Styrol (ABS) oder thermoplastische Elastomere (TPE). Diese Materialien sind potenziell als dämpfende Elemente denkbar.

Wie nachhaltig ist additive Fertigung nun wirklich?

Der Anwendungsfall der Dämpfersysteme in Leichtbauweise zeigt, dass die additive Fertigung hinsichtlich effizienter Materialnutzung ein großes Potenzial bietet. So lassen sich für ihren Einsatz optimierte sowie leichtbaugerechte Bauteile herstellen. Diese bestehen aus verhältnismäßig wenig Material. Zudem können sie während ihrer Nutzungsdauer mit minimalem Energieeinsatz betrieben werden.

Mit Blick auf die Nachhaltigkeit des additiven Fertigungsprozesses solcher Bauteile ist eine pauschale Aussage jedoch nicht möglich. Hinsichtlich Material- und Energieverbrauch muss jedes Verfahren einzeln betrachtet werden. Ebenso beeinflussen andere Faktoren die Gesamtbetrachtung teilweise erheblich. Dazu zählen beispielsweise die Art und Anzahl der benötigten Bauteile, die verwendeten Materialien sowie die notwendigen Nachbehandlungsschritte.

Nachhaltigkeit von LS-Verfahren

Insbesondere die Pulverherstellung sowie die Prozessführung für das LS-Verfahren benötigen verhältnismäßig hohe Energiemengen. So muss der Bauraum während des gesamten Fertigungsprozesses temperiert sein. Außerdem wird eine Schutzgasatmosphäre benötigt, um eine Degradation des Kunststoffes zu behindern. Die Degradation, also die physikalische beziehungsweise chemische Schädigung, kann jedoch nicht vollständig unterdrückt werden. Deshalb altert das im Bauraum nicht versinterte Pulver über mehrere Nutzungszyklen hinweg. Schlussendlich kann es nicht mehr im LS-Prozess genutzt werden. Allerdings zeigen aktuelle Betrachtungen, dass LS-Verfahren insbesondere für die Fertigung personalisierter Produkte, wie beispielsweise Brillen, energetisch günstiger sein können als andere Fertigungsverfahren wie der Spritzguss.

Nachhaltigkeit von FLM-Verfahren

Der Druck von Bauteilen mit überhängenden Bereichen im FLM-Verfahren benötigt Stützstrukturen, die nach der Fertigung entfernt werden müssen. Die benötigte Menge hängt dabei von der Geometrie der Bauteile ab. Die energetische Betrachtung des Druckprozesses ist abhängig vom Typ der Anlage sowie dem verwendeten Material. Je nach Material müssen Teile der Anlage, wie zum Beispiel der Bautisch oder die Baukammer, beheizt werden. Dies führt wiederrum zu erhöhter Leistungsaufnahme. Zudem benötigt der Herstellungsschritt der Filamente mittels Extrusion Energie.

Additive Fertigung als Enabler für den strukturellen Leichtbau

Insgesamt ist somit keine pauschale Aussage zur Nachhaltigkeit der additiven Fertigung beziehungsweise additiv gefertigter Bauteile möglich. Eine Bewertung muss die jeweiligen Randbedingungen des Einzelfalls und die alternativen Fertigungsverfahren hinzuziehen. Das Projekt LeDaLe verdeutlicht, dass die additive Fertigung ein Enabler für den strukturellen Leichtbau sein kann.


Danksagung

Das Forschungsprojekt LeDaLe wird im Rahmen des Förderprogramms „Invest BW“ mit Mitteln des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg (WM BW) gefördert und vom Projektträger VDI/VDE-IT betreut. Der Dank der Autoren geht an das WM BW für die gewährte Förderung. Daneben gilt der Dank der Autoren dem Projektträger und allen beteiligten Projektmitarbeitenden für die Unterstützung.


Über das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA

Das Fraunhofer IPA – eines der größten Institute der Fraunhofer-Gesellschaft – wurde 1959 gegründet und beschäftigt annähernd 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Organisatorische und technologische Aufgabenstellungen aus der Produktion machen die Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte aus. Methoden, Komponenten und Geräte bis hin zu kompletten Maschinen und Anlagen werden entwickelt, erprobt und exemplarisch eingesetzt. Die 16 Fachabteilungen des Fraunhofer IPA decken den gesamten Bereich der Produktionstechnik ab. Sechs Geschäftsfelder koordinieren sie und arbeiten interdisziplinär mit Industrieunternehmen der Branchen Automotive, Maschinen- und Anlagenbau, Elektronik und Mikrosystemtechnik, Energie, Medizin- und Biotechnik sowie Prozessindustrie zusammen.

https://www.ipa.fraunhofer.de/


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