Mit Ökobilanzen nachhaltige Entscheidungen treffen (Gastbeitrag)

verfasst von Matthias Fischer
Gastartikel Fraunhofer IBP

Ein zentrales, in Industrie und Forschung etabliertes Instrument für die Erfassung der CO2-Bilanz aber auch der Bilanz weiterer Umweltwirkungen, ist die Methode der Ökobilanz. Eine Ökobilanz erfasst die klima- und umweltrelevanten Beiträge sowohl von eingekauften Produkten (Vorprodukten), bezogener und/oder erzeugter Energie sowie der eigenen Produktionsprozesse und bilanziert diese.

Um die gesamten Umweltwirkungen über den Lebenszyklus – von der Ressourcengewinnung über die Bereitstellung von Vorprodukten, die Produktherstellung und die Produktnutzung bis zum Lebensende mit Entsorgung oder Recycling – zu analysieren, wird die Methode der Ökobilanzierung nach DIN EN ISO 14040 und 14044 angewendet.

Eine Methode für den gesamten Lebensweg

Schritt 1: Ziel und Untersuchungsrahmen

Erster Schritt einer Ökobilanz ist die Festlegung des Ziels und Untersuchungsrahmens. Dabei werden die Zielgruppe, Systemgrenzen, die funktionelle Einheit, Anforderungen an die Datenqualität und ähnliche grundlegende Festlegungen getroffen.

Schritt 2: Sachbilanz

Im zweiten Schritt der Sachbilanz werden für die einzelnen Lebenszyklusabschnitte und die darin enthaltenen technischen Prozesse jeweils die Inputs (energetische und nicht-energetische Ressourcen, Materialien, Vorprodukte) und Outputs (Produkte, Emissionen) erfasst und bilanziert.

Schritt 3: Wirkungsabschätzung

Im dritten Schritt, der Wirkungsabschätzung, werden die Daten der Sachbilanz zu Umweltwirkungen (zum Beispiel Treibhauspotenzial, Eutrophierungspotenzial, Versauerungspotenzial etc.) zusammengefasst. Das bildet den potenziellen Beitrag eines Produktsystems zu verschiedenen Umweltwirkungen ab.

Schritt 4: Auswertung

Im Schritt der Auswertung und Interpretation der Ergebnisse werden dann die Erkenntnisse einer Ökobilanz aufbereitet. Ein spezieller Anwendungsfall der Ökobilanzierung ist der auf Treibhausgase fokussierte Carbon Footprint nach DIN EN ISO 14067.

Ökobilanz Kreislauf; © Fraunhofer IBP/Jan Paul Lindner

Anwendung von Ökobilanzen im unternehmerischen Kontext

In zahlreichen Unternehmen werden Ökobilanzen bereits regelmäßig erstellt. Sie finden beispielsweise Eingang in Umweltproduktdeklarationen (EPD – Environmental Product Declaration) oder die umweltgerechte Produkt(weiter)entwicklung (DfE – Design for Environment). Doch nicht nur für Großunternehmen ist die Methode interessant. Auch KMU können ihre Produkte hinsichtlich deren Umweltwirkung analysieren sowie Rückschlüsse auf Verbesserungsoptionen gewinnen. Das hat vor allem große Bedeutung, wenn Kund*innen Umweltinformationen zu Lieferketten fordern oder sich besondere Vermarkungschancen auf Basis der Umweltleistungen der Produkte ergeben. Integrieren Unternehmen die Lebenszyklusanalyse und Ökobilanz konsequent bereits in die Produktentwicklung, gelingt es, die ökologischen Potenziale von Produkten herauszuarbeiten und gezielt zu entwickeln. Gleichzeitig lassen sich Umweltrisiken sowie oftmals auch Kostenrisiken identifizieren.

Das benötigt man zur Erstellung von Ökobilanzen und Lebenszyklusanalysen

Zur Erstellung von Ökobilanzen und Lebenszyklusanalysen sind Informationen aus der eigenen Produktion (zum Beispiel Material- und Energieverbräuche) zu erfassen. Hilfreich sind Informationen zu eingekauften Produkten aus bestehenden Ökobilanzdatenbanken für die Zulieferketten. Für die Nutzungsphase sind Daten zu Energieverbräuchen, Wartungsaufwendungen, Nutzungsdauer und Ähnliches zu erfassen. Für das Lebensende sind des Weiteren Daten zu Demontierbarkeit, Recyclingfähigkeit, Verwertungs- und Entsorgungsoptionen notwendig.

Das Potenzial von Leichtbaulösungen

Leichtbaulösungen sind hierbei insbesondere bei mobilen Anwendungen mit hohen Potenzialen verbunden. Denn hier hängt die Nutzungsphase und die dabei benötigte Energie für die Bewegung stark von der Masse ab. Aber auch bei immobilen Anwendungen können Leichtbaulösungen zu geringeren Ressourcenaufwendungen führen. In zahlreichen Studien wurden hierzu konkrete Produkte untersucht (zum Beispiel Leichtbau in Mobilität und Fertigung – Ökologische Aspekte), Praxisleitfäden erarbeitet (zum Beispiel Leichtbau im Bauwesen) und die Lösungen für Anwender*innen bereitgestellt (zum Beispiel Wissenstransferplattform WiTra).  

Abwägungen sind angebracht

Für Hochleistungswerkstoffe wie Carbonfasern ist im Einzelfall eine Abwägung zwischen Vor- und Nachteilen für konkrete Produkte vorzunehmen. Diese Stoffe weisen zwar ein hohes Leichtbaupotenzial auf, sind jedoch gleichzeitig auch mit großen Herstellungsaufwendungen verbunden. Um dies in der Praxis zu gewährleisten, wurden die hierfür erforderlichen Produktionsverfahren ökobilanziell analysiert und dokumentiert (zum Bespiel MAI ENVIRO). Außerdem gibt es Datenbanken mit Ökobilanzdatensätzen (zum Beispiel Ökobilanzdaten für CFK). Vertiefende Ausführungen zu Nachhaltigkeitsaspekten im Leichtbau sind darüber hinaus auch in der Literatur zu finden (zum Beispiel Ganzheitliche Bilanzierung und Nachhaltigkeit im Leichtbau).

Chancen und Potenziale für den Leichtbau ergeben sich immer dann, wenn über den Lebenszyklus eine Einsparung an Ressourcen und Emissionen zu erzielen ist. Das lässt sich im Einzelfall idealerweise durch eine ökobilanzielle Betrachtung quantifizieren.


Über die Abteilung Ganzheitliche Bilanzierung GaBi am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP

Die Abteilung Ganzheitliche Bilanzierung GaBi am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP unterstützt Unternehmen dabei, Ökobilanzen für ihre Produkte zu erstellen und Verbesserungspotenziale sowie Innovationschancen zu identifizieren. Für eine Entwicklung hin zur Klimaneutralität.


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