Seit Beginn der Zivilisation ist die Weiterentwicklung von Materialien einer der wesentlichen Treiber des technischen Fortschrittes. Mit der Stein-, Bronze- und Eisenzeit wurden ganze Epochen nach den dominierenden Materialfortschritten benannt. Trotz der extremen Wichtigkeit der verschiedenen Materialien waren neue Erkenntnisse in der Materialfertigung sehr selten und mit vielen empirischen Tests verbunden. Alchemisten schrieben lange Bände über die verschiedenen Metalle, die sie identifizieren konnten und Reaktionen, die sie verwendeten, um diese nachzuweisen. Eine fundamentale Theorie, auf die man sich stützen konnte, gab es nicht.
Systematisierung der Materialentwicklung
Im Zuge der Industrialisierung wurde die Materialentwicklung immer weiter systematisiert. Einer der wesentlichen Fortschritte war das Periodensystem, das es schnell erlaubte, die Reaktionseigenschaften von Atomen vorherzusagen. Es ist interessant festzustellen, dass das Periodensystem bereits im Jahr 1869 vorgestellt wurde. Es basierte ausschließlich auf der wohlüberlegten Zusammenstellung beobachteter Effekte. Doch noch immer musste man auf die fundamentale Theorie der Materialien warten. Bis zur Entwicklung der Quantenmechanik.
Die Entwicklung der Quantenmechanik
Im Jahre 1922 löste Erwin Schrödinger die heute nach ihm benannte Schrödingergleichung für das Wasserstoffatom. Aus dieser Rechnung lässt sich auch die Schalenstruktur der Atome ableiten und somit zumindest auch die Anordnung der leichten Atome im Periodensystem. Schon sieben Jahre später stellte der Physiker Paul Dirac in den Proceedings der Royal Society fest: „the underlying physical laws necessary for the mathematical theory of a large part of physics and the whole of chemistry are thus completely known.”
Fortschritte mit Hilfe der ersten Computer
Mit der Einführung der ersten Computer versuchte man dann in den 50er Jahren auch immer stärker, die Gesetze der Quantenmechanik direkt zu lösen. Auf diese Weise versuchten Forschende, Materialeigenschaften vorherzusagen und somit den langwierigen Prozess der experimentellen Materialentwicklung zu beschleunigen oder sogar abzulösen. Jedoch blieb in der Praxis die empirische Materialentwicklung weiterhin der wesentliche Weg, um Verbesserungen zu erreichen, obgleich Forschende immer stärker qualitative Erkenntnisse aus der Quantenmechanik verwenden konnten.
Die Grenzen der „normalen“ Computer
Das zentrale Problem ist, dass es nicht möglich ist, die Gesetze der Quantenmechanik auf normalen Computern zu lösen. Obwohl also bereits die allerersten Computer einen signifikanten Fortschritt für Probleme wie die Strömungsmechanik bedeuteten, konnten sie eine lange Zeit nahezu nichts zur Lösung der Probleme der Quantenmechanik sowie zur Weiterentwicklung von Materialien beitragen.
Die wesentlichen Entwicklungen auf dem Weg zur computergestützen Materialsimulation, wie sie heute State-of-the-Art ist, ist die exponentielle Weiterentwicklung der Rechenkapazität herkömmlicher Computer sowie die Entwicklung der Dichte–Funktionentheorie (DFT). Zumindest in einigen Bereichen ist die DFT eine ausreichende Näherung, um qualitative Materialeigenschaften am Computer zu simulieren und dadurch die experimentelle Entwicklung zu unterstützen.
Auf dem Weg zum Quantencomputer
Die Schwierigkeit, die Probleme der Quantenmechanik mit normalen Computern zu lösen, inspirierte im Weiteren auch die Frage, ob es möglich ist, signifikant leistungsfähigere Computer basierend auf den Gesetzen der Quantenmechanik zu konstruieren. Die Idee der Quantencomputer war geboren. Lange war dies eine sehr abstrakte Idee und der Quantencomputer nur ein Gegenstand der Grundlagenforschung In den letzten Jahren hingegen ist das Thema auch in der Industrie angekommen.
Zahlreiche große Firmen, wie Google, IBM und Intel arbeiten an der Realisierung eines Quantencomputers. Denn der Quantencomputer erlaubt es, verschiedene spezielle Probleme maßgeblich schneller zu lösen, als das mit herkömmlichen Computern möglich wäre. Dabei darf man allerdings einen Quantencomputer nicht einfach als schnelleren Computer betrachten. Die Probleme, die ein Quantencomputer lösen kann, müssen spezifische Eigenschaften haben. Diese müssen es erlauben, die Gesetze der Quantenmechanik zu nutzen, um auf diese Weise eine schnellere Lösung zu erzielen.
Qubits: Die Basis des Quantencomputers
Die grundlegende Einheit des Quantencomputers ist das quantenmechanische Bit, kurz Qubit. Während das herkömmliche Bit, auf dem unsere jetzigen Computer beruhen, entweder den Wert 0 oder 1 annimmt, kann ein Qubit gleichzeitig beide Werte annehmen. Wie viele Dinge in der Quantenmechanik mag das zunächst sehr mysteriös klingen.
Man kann es sich jedoch wie einen Pfeil vorstellen, der in eine beliebige Richtung zeigt. Bei einem Bit kann der Pfeil nur nach oben oder nach unten zeigen. Bei einem Qubit kann der Pfeil in jede Richtung zeigen. Diese Eigenschaft ist tatsächlich an sich noch nichts Besonderes. Die Eigenschaften des Quantencomputers, die eine immense Beschleunigung erlauben, treten erst zutage, wenn man viele Qubits betrachtet.

Tatsächlich ist die Darstellung des Bits und des Qubits als Pfeil gut dazu geeignet, gleichzeitig eines der wesentlichen Probleme des Quantencomputers zu verdeutlichen. Wenn bei einem klassischen Bit eine Störung die Richtung des Pfeiles leicht verändert, bleibt die wesentliche Information, also hoch oder runter, erhalten. Somit lässt sich die Richtung weiterhin dem Wert eins oder null zuordnen. Ein Qubit soll in jede beliebige Richtung zeigen können. Dementsprechend erzeugt jede Störung, die die Richtung des Pfeils verändert, automatisch einen Fehler im Zustand des Qubits.
Logische Qubits
Dementsprechend sind Quantencomputer fundamental fehleranfälliger als herkömmliche Computer. Fundamental ist es allerdings auch möglich, dieses Problem zu lösen, indem viele Qubits zu einem sogenannten logischen Qubit zu vernetzt werden. Durch die erzeugte Redundanz ist es möglich, die Fehlerrate des logischen Qubits beliebig zu verringern.

Der Vorteil des Quantencomputers ergibt sich, sobald wir viele Bits mit vielen Qubits betrachten. Wenn uns 8 Bits zur Verfügung stehen, können diese genau eine Zahl zwischen 0 und 255 speichern. Acht Qubit hingegen können in allen 256 Möglichkeiten gleichzeitig sein. Addiert man ein Qubit, sind das schon 512 Möglichkeiten. Mit einem weiteren Qubit haben wir schon 1024 Möglichkeiten. Nur 34 Qubits reichen aus, um mehr 10 Milliarden Werte gleichzeitig darzustellen.
Diese Gleichzeitigkeit ist nun tatsächlich eine der mysteriösen Eigenschaften der Quantenmechanik. Sie führt dazu, dass wenn eine Operation auf die Qubits durchgeführt wird, diese auf allen Zuständen gleichzeitig durchgeführt wird. Das bedeutet: Im Falle von 34 Qubits, wird eine Operation direkt auf 10 Milliarden Zuständen gleichzeitig durchgeführt. Dies ist der fundamentale Grund, warum der Quantencomputer für bestimmte Probleme eine riesige Beschleunigung erreichen kann.
Ein Blick in die Zukunft
Bis 30 oder mehr voll fehlerkorrigierte Qubits realisiert werden können, wird allerdings noch viel Zeit vergehen. Die Anzahl an Qubits, die für die zu erzeugende Redundanz benötigt werden, ist nämlich extrem groß. Die wesentliche Frage, die sich momentan für die Benutzung des Quantencomputers ergibt: Sind schon Anwendungen mit 50 bis100 fehlerbehafteten Qubits möglich? Oder bricht das Zeitalter des Quantencomputers erst mit vollständiger Fehlerkorrektur an?
Das Erreichen des Quantenvorteils
Hoch spezialisierte Algorithmen, die schon mit 50 fehlerbehafteten Qubits einen Vorteil für Quantencomputer zeigen konnten, haben Forschende bereits demonstriert. Dabei geht es um Rechnungen, die mit 50 Qubits durchgeführt werden können, für die mindestens ein ganzes Großrechenzentrum gebraucht werden würde, falls dieselbe Rechnung mit herkömmlichen Rechnern durchgeführt werden soll. Dies nennt man das Erreichen des Quantenvorteils. Bisher haben zwei Forschungsgruppen Prozessoren demonstriert, die den Quantenvorteil erreicht haben. Zum einen ist dies bei Google gelungen und zum anderen einem Team aus China. Beide Gruppen arbeiten mit Qubits, die mit Hilfe von supraleitenden Schaltkreisen realisiert wurden. Die Berechnungen, die dabei durchgeführt wurden, sind allerdings so abstrakt, dass es dafür keine echte Anwendung in der Praxis gibt.
Quantensprung für die Matrialentwicklung von morgen
Somit kommen wir zurück zur Materialentwicklung. Eine der effizientesten Anwendungen für den Quantencomputer ist die Simulation von Molekülen und Materialien. Auf atomarer Basis werden die Eigenschaften aller Materialien durch die Gesetze der Quantenmechanik beschrieben. Dies macht solche Simulationen nahezu unmöglich auf herkömmlichen Computern. Gleichzeitig können solche Simulationen sehr effizient auf einem Quantencomputer durchgeführt werden. Da die Anzahl an Operationen dann relativ klein bleibt, bleibt auch die Anzahl an Fehlern klein.

Die Simulation von Molekülen kann in der Chemie- und Pharmaindustrie von großem Wert sein. Auch die direkte Berechnung von mechanischen Eigenschaften von Materialien unter extremen Bedingungen könnte möglich sein. Oder die Vorhersage von Materialeigenschaften von neuen Legierungen und Ähnlichem. Es scheint möglich, dass Quantencomputer ohne Fehlerkorrektur in diesem Bereich in sehr naher Zukunft eingesetzt werden können.
Über HQS Quantum Simulations
HQS bietet Software für Materialwissenschaftler in der chemischen Industrie und im akademischen Bereich. Hochentwickelte Modelle auf Quantenebene von Materialien und ihren molekularen Eigenschaften geben den Forschenden die tieferen Einblicke, die sie benötigen, um die ideale Lösung für ihre Bedürfnisse zu finden.
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